Wer sich lediglich über den akademischen Weg an die Politik der Bundesregierung nähert, stellt an einem Punkt des Studiums sehr oft fest, dass zwischen Theorie und Ausführung eine sehr große Kluft existiert. Mein Praktikum, welches im Bundestagsbüro von Jörg Nürnberger, also im metaphorischen Kern der deutschen Demokratie in Berlin absolviert wurde, hatte das Ziel, diese Kluft zu überwinden und bisher erlangtem Wissen nun auch eine praktische Dimension zu verleihen. Bereits der Zeitraum dieses Praktikums ist wohl als besonders ereignisreich zu bezeichnen. Der Start war auf das Ende der sogenannten Sommerpause terminiert und zeichnete sich, mit insgesamt fünf Sitzungswochen innerhalb von zwei Monaten, als die wohl arbeitsintensivste Zeit des Jahres aus. Auch der Umstand der multiplen Krisen, die im Augenblick beinahe die gesamte Aufmerksamkeit der gegenwärtigen Politik einnehmen, sorgte für eine sehr spannende Zeit, sodass in fast allen Bereichen der Politik schnelles und effizientes Handeln gefordert ist.
Für den Wahlkreis Hof wurde Jörg Nürnberger zur 20. Wahlperiode erstmals als Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB) für die SPD-Bundestagsfraktion gewählt. Mit einer Zulassung als Rechtsanwalt in Österreich, Tschechien und Deutschland näherte sich Jörg somit aus dem juristischen Milieu an die Politik, was nicht zuletzt auch die Mitgliedschaften in den Ausschüssen stark beeinflusste. Mit seinem zweiten Wohnsitz in Prag existiert außerdem ein großes Engagement für die deutsch-tschechische Grenzregion, aber auch für die Politik der Europäischen Union (EU). Vergleichsweise unüblich ist, dass Jörg Nürnberger bereits in seiner ersten Legislaturperiode bereits ordentliches Mitglied in insgesamt drei Ausschüssen (Verteidigungsausschuss, 1. Afghanistan Untersuchungsausschuss, Ausschuss für die Angelegenheiten der EU) ist. Alle Ausschüsse haben mit Blick auf die gegenwärtige Situation eine besondere Aktualität und fordern von allen Mitarbeitenden des Bundestagsbüros großes Engagement.
Meine persönlichen Erlebnisse und Arbeitserfahrungen lassen sich wohl am besten in zwei große Blöcke teilen. Während der ersten Wochen wurde ich größtenteils in die parlamentarischen Prozesse und die „alltäglichen“ Arbeiten rund um das Bundestagsbüro eingeführt, welche im wahrsten Sinne des Wortes, wohl das Fundament von Jörgs Arbeit in Berlin ausmachen. Neben der Korrespondenz mit diversen Interessensgruppen, sowie die Organisation und Planung von Terminen, bearbeitete ich außerdem etliche Bürgerinnen und Bürgeranfragen. Daraus resultierend wurde ich mehr oder weniger zum „Experten“ für die gegenwärtige Energiesituation, die Nachfolge des 9-Euro-Tickets, das Infektionsschutzgesetz, die Bekämpfung der derzeitigen Inflation und für das neue GKV-Stabilisierungsgesetz, welches ich mit der Hilfe der jeweiligen Fachreferentinnen und Fachreferenten inhaltlich vorbereitete und mit Jörg zusammen abstimmte.
Spätestens während der ersten Sitzungswoche – eine Haushaltswoche – war ich bereits fester Bestandteil des „Berliner-Teams“ und durfte meine konstruktiven Ideen unter anderem in den Schreibprozess einer Bundestagsrede zum Einzelplan 14 einbringen, welcher ich im Anschluss auf der Besuchertribüne des Reichstags auch beiwohnen durfte. Ferner wurde ich aber auch in einen neuen Arbeitsbereich und dem zweiten Arbeitsblock eingeführt: die Mitwirkung bei der Ausschussarbeit.
Dies war in vielerlei Hinsicht ein großer Vertrauensbeweis in meine bisherige Arbeit, da ich die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nun nicht nur bei der Vorbereitung für die spezifischen Berichterstatter-Themen unterstützen durfte, sondern auch an den Arbeitsgruppen der SPD-Bundestagsfraktion teilnehmen konnte, diese protokollierte und thematisch nachbereitet. Gerade mit Blick auf das 100 Mrd. Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, was aus dem völkerrechtswidrigen Überfall von Russland auf die Ukraine resultierte, waren die mir erlaubten Einblick in die AG Sicherheit und Verteidigung der SPD-Bundestagsfraktion und die Diskussionskreise mit den eingeladenen Gästen eine Bereicherung für mein persönliches Interesse an der NATO und der Verteidigungspolitik.
Besonders spannend war auch die Mitwirkung beim Gründungsprozess einer neuen parlamentarischen Gesprächsgruppe für die deutsch-tschechischen Grenzregion. Da ich selbst aus der Grenzregion stamme und mir deutlich bewusst ist, dass der gegenseitige kulturelle und wirtschaftliche Austausch deutlich verbessert werden könnte, freue ich mich sehr darüber, dass ich hier einen beträchtlichen Beitrag leisten durfte.
Mein persönliches Highlight war die Teilnahme am neu konstituierten Afghanistan Untersuchungsausschuss, für den Jörg Nürnberger als Sprecher/Obmann der SPD-Bundestagsfraktion gewählt wurde. Auch hier nahm ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen regelmäßig an den AG-Sitzungen der SPD-Bundestagsfraktion teil und half dabei zusätzliche Recherchen für den Pressehintergrund des Ausschusses anzufertigen, um Jörg zusammen mit den Referentinnen und Referenten bei spezifischen Fragen inhaltlich zu unterstützen.
In den wenigen Wochen, in denen der Bundestag nicht tagte, besuchte ich außerdem das PraktikantInnenprogramm der SPD-Bundestagsfraktion, welches tiefe Einblicke in die parlamentarischen Organe und Institutionen des Bundestags ermöglichten. Neben diversen Gesprächen mit der FES, der GIZ und vielen Abgeordneten, war der Besuch im Auswärtigen Amt und beim Bundesrat eine sehr spannende Bereicherung für mich.
Ich möchte mich selbstverständlich bei allen Mitarbeitenden bedanken, die mich ab dem ersten Tag an so herzlich aufgenommen haben und mich bei jeglichen Anliegen unterstützten. Abschließend kann ich sagen, dass ich sehr dankbar für die neuen Erkenntnisse über den deutschen Politikapparat bin, die mich bei meinem weiteren Werdegang stark beeinflussen werden.